Wann kamen die KZ-Häftlinge nach
Friedrichshafen ?
Mit der
Entwicklung der sogenannten „Wunderwaffen V2“ während des zweiten Weltkriegs plante
man auch in
Friedrichshafen
bei der Firma Zeppelin ein Serienwerk für die Herstellung der A4 ( V2 ) Raketen. Für diesen
Zweck wurde
eine nicht mehr benötigte Zeppelin-Halle auf dem Flugfeld in Friedrichshafen
demontiert und auf
dem
Werftgelände der Firma Zeppelin wieder aufgebaut. Da die Rüstungsbetriebe in Friedrichshafen durch
den
zunehmenden Abzug von deutschen Arbeitern an die Front Probleme mit der
reibungslosen Fertigung von
Kriegsgütern
bekam, setzte man hier zunehmend Kriegsgefangene und Zwangsverpflichtete
Ausländische
Arbeitnehmer
in der Rüstungsindustrie ein. Da diese Arbeitskräfte aber nicht ausreichten
suchte man nach
anderen
Möglichkeiten . Mit Einsatz des „Sonderausschuss A4“ durch den Reichsminister
für Bewaffnung und
Munition im
Januar 1943 wurden unter der Leitung von Direktor Degenkolb verschiedene
Arbeitsstäbe
eingerichtet.
( *14 ) Einer dieser Stäbe war der Stab „Arbeitseinsatz“ unter der
Leitung eines Herrn Jaeger.
Am 8. oder
9.4.1943 schlug dieser Herr Jaeger vor KZ- Häftlinge an Stelle von
Kriegsgefangenen zu
verwenden.
( *15 ) Darauf hin besichtigten Dir. Köster ( Sonderausschuss A4) und
Dir.
Rudolph ( Versuchsserienwerk Peenemünde ) am 12.4.1943 den Häftlingseinsatz bei
den Heinkelwerken
in Oranienburg
. In der Aktennotiz vom 16.4.1943 äußerte sich dann Dir. Rudolph positiv über
einen Einsatz
von KZ
Häftlingen : „Der Beitrieb von F1 kann mit Häftlingen durchgeführt werden.... „
( F1 =
Fertigungshalle 1 des Versuchsserienwerkes in Peenemünde ) . ( *13 ) Parallel zur Diskussion eines
KZ-Häftlingseinsatz
und der Empfehlung von Dir. Rudolph, befanden sich Dir. Dornberger mit einem
Teil des
Arbeitsausschusses
vom 13.4.1943 bis zum 20.4.1943 auf einer Dienstreise nach Friedrichshafen und
Wien.
Auf dieser
Dienstreise wurde auch der Einsatz von KZ Häftlingen in Friedrichshafen bei
Zeppelin und den
Rax Werken
in Wiener- Neustadt besprochen. Aus der Aktennotiz dieser Dienstreise, vom
24.4.1943 ist zu
entnehmen :
Zur Klärung der Arbeitseinsatzfrage für das Programm des Sonderausschuss A4, in
Sonderheit
LZ und Rax-
Werke, soll bald möglichst Gauleiter Saukel nach Peenemünde geholt werden... „
( BA-MA RH8
1959, 146 ) In wie weit Degenkolb bei der Besprechung in Friedrichshafen über
die Empfehlung
Dir.
Rudolph bescheid wusste ist nicht bekannt. Auf jedenfalls wurde spätestens mit
der Aktennotiz der
Dienstreise
vom 24.4.1943 auch der Einsatz von Häftlingen in Friedrichshafen in gang
gesetzt!
Ein genaues Datum über den tatsächlichen
Beginn des Einsatz von KZ Häftlingen für die Fertigung des A4 der
Baureihe „A“ bei Zeppelin nicht bekannt, man
kann aber den Zeitpunkt recht genau einschränken. Nach
Recherchen
Georg Metzler (02) bestand das KZ Außenlager Don insgesamt 15 Monate,
vom 22.6.1943 bis
26.9.1944.
Eingerichtet wurde das Lager „ Don „ im Sommer 1943, durch
eine Vorhut aus ca. 100 bis
120 Häftlinge aus dem KZ Dachau ( *03 ).
Nach 10 Monate, am 28.4.1944 wird
das Lager Don durch einen
Bombenangriff
zerstört . Die Häftlinge wurden dann in das Anbaulager nach Raderach gebracht .
Willi Müller
(
Häftling des KZ Dachau ) berichtet von ca. 700 Häftlingen ( *04 ).
Wie
viele Häftlinge dort bereits untergebracht waren und seit wann, ist nicht
bekannt . Sicher ist das die ersten
Baracken
bereits Mitte 1942 für den bau der A4 ( V2 ) Prüfstelle errichtet wurden (
*05 ). Am 20.7.1944 wurde
das
Lager Don nochmals durch Bomben getroffen. Christa Tholander schreibt in ihrem
Buch dazu : „danach
kamen
300 Häftlinge vorübergehend nach Raderach „ (* 06 ). Allerdings erwähnt
sie W.Müllers angaben über
den
Transport von 700 Häftlingen nach Raderach nicht und beschränkt die
Häftlingszahl in Raderach auf
endsprechend
ihrer Rechercheergebnisse auf 300 Personen und das auch nur für einige Wochen .
In
verschiedenen
Publikationen wird ein Häftlingstransport von Häftlingen aus Saulgau ( KZ
Außenlager der
Zeppelin
GmbH in Saulgau vom 14.8.1943 bis 22.4.1945 ) und Friedrichshafen nach
Buchenwald am 24.9.1944
mit
762 ( b.z.w. 764 Häftlinge ( *07 ) erwähnt, allerdings gab es in diesem
Zeitraum keine bekanten Änderung
an
der Belegzahlen in Saulgau. Durchschnittlich waren in Saulgau ca. 400 Häftlinge
untergebracht, daran
änderte
sich im September 1944 nichts ( *08 ). Es ist anzunehmen das in der
Regel beide Lager auf grund
der
Zusammengehörigkeit der Fertigung zusammengefasst geführt wurden. Man kann
davon ausgehen das
diese
764 Häftlinge die zuerst in Friedrichshafen, danach weitere 5 Monate in
Raderach waren, bevor sie
nach
Buchenwald und später nach Kleinbodungen transportiert wurden. ( *09 ) Von
Kleinbodungen aus
gelangten
die Häftlinge am Kriegsende nach Bergen Belsen wo sie von Britischen Soldaten
befreit wurden.
(
Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten ) Willi Müller kam im gleichen
Zeitraum mit ca. 50 Häftlingen
nach
Saulgau. Zusammen sind das ca. 815 Häftlinge ! Auffallend ist auch der
Zeitpunkt der Lagereröffnung
am
2.9.1944 in Überlingen Aufkirch. Ab Oktober waren dann ca. 800 Häftlinge aus
dem KZ Dachau in
Überlingen
mit dem bau einer Stollenanlage beschäftigt ( *10 ). Einen Häftlingstransport im Zeitraum
zwischen
dem 3.9.1944 und dem 29.11.1944 aus dem KZ Dachau nach Überlingen ist nicht
vermerkt .
Ein Teil dieser Häftlingen stammten daher mit Sicherheit aus dem Friedrichshafener b.z.w. Raderacher
Lager.
Auch Willi Müller berichtet von einer Verteilung der Häftlingen in zwei Gruppen
, die nach Überlingen
b.z.w.
Saulgau verteilt wurden ( *11 ). Ob hier die Zeitliche abfolge noch
richtig ist dürfte fraglich sein da
im
April/Mai 1944 das Lager in Überlingen noch nicht bestand ! ( *10 )
Willi Müller berichtet das ende 1943
die
Lagerstärke im Lager Don auf 1000 Häftlingen angestiegen ist. Fasst man nun
sämtliche Angaben
zusammen
decken sich die Häftlingszahlen im groben und ergeben so eine möglich
Mindestzahl von
1000
Häftlinge die erst in Friedrichshafen waren und dann nach einen Aufendhalt von
5 Monaten in
Raderach,
auf die Lager Buchenwald, Saulgau und Überlingen verteilt wurden.
Quellen :
* ( 01 )
Häftlingsberichte und Briefe von Wilhelm Müller, Archiv der KZ Gedenkstätte
Dachau 3.978, 5.476, 16.020, 19.405 Seite 2
bis 30.
* ( 02 ) Manfred
Metzler “ Geheime Kommandosache „ Seite
65
* ( 03 ) Christa Tholander – „ Fremdarbeiter 1939 bis 1945 „
Seite 533
* ( 04 ) Wilhelm Müller „ Meine Verfolgungszeit 1933-1945 , Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau 3.978
* ( 05 ) Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg
* ( 03 / 06 ) Christa Tholander – „ Fremdarbeiter 1939 bis 1945
„ Seite 534
* ( 07 ) Liste von
Häftlingstransporte des KZ Dachau vom 11.12.1944, Archiv der KZ Gedenkstätte
Dachau 1012
* ( 08 ) Manfred Metzler “ Geheime Kommandosache „ Seite 110.
* ( 09 ) E-Mail von Dr.
Jens-Christian Wagner, Gedenkstätte Buchenwald 6.8.2002
* ( 10 ) Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des
Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 ( 5/2 )
* ( 11 ) Wilhelm Müller „ Meine Verfolgungszeit 1933-1945 , Archiv der KZ Gedenkstätte Dachau 5.476
*( 12 ) Christa Tholander – „ Fremdarbeiter 1939 bis 1945 „
Seite 461 – 465
*( 13 ) Bericht über den Häftlingseinsatz bei den Heinkelwerken
in Oranienburg vom 12.4.1943 (BMAM)
*( 14 ) Mitteilung von Dir. Degenkolb vom 29.1.1943
*( 15 ) M. J. Neufeld , Die Rakete und das Reich s. 223 )
©2000– 2005 Thomas Kliebenschedel